
Eingeladen waren sowohl Parteimitglieder als auch die interessierte Öffentlichkeit. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ulf Prange (MdL und Vorsitzender der Oldenburger SPD), der sich mit der Resonanz – die Veranstaltung war mit ca. 60 Teilnehmern gut besucht – zufrieden zeigte.
Sieling verwies auf den Beschluss des SPD-Parteikonvents aus dem letzten Jahr, der die Zustimmung der SPD zu den Freihandelsabkommen an eine lange Liste von Voraussetzungen und Bedingungen knüpft. Die Liste wurde in der leidenschaftlich und angeregt geführten Diskussion noch länger.
Das Ziel der Abkommen ist der Abbau von Handelshemmnissen und die Vereinheitlichung von Standards im nordatlantischen Wirtschaftsraum. Was das für die Standards in Industrie, Kultur, Verbraucherschutz und Arbeitsrecht konkret bedeutet ist allerdings noch unklar.
Die beiden Wirtschaftsräume haben in der Vergangenheit unterschiedliche Prioritäten gesetzt. So gelangen Produkte in den vom case law geprägten USA schneller in den Handel, während sie in Europa gegebenenfalls erst einem Zulassungsverfahren unterzogen werden, sind dann aber bei Schäden einem viel höherem Klagerisiko ausgesetzt. Beispiel dafür sind gentechnisch verändertes Saatgut, Lebens- und Futtermittel.
Zu den umstrittensten Vertragsinhalten gehört das Investorenschutzprogramm, das statt einer Handelsgerichtsbarkeit die beiden Rechtssysteme in einem Vergleichsverfahren ohne Berufungsinstanz vereint, bei dem die Akteure aus der Wirtschaft selbst stammen und mal als Ankläger und mal als Schiedsrichter auftreten und bei dem auch Staaten zu Zahlungen verurteilt werden können, insbesondere auch, wenn sie die Gesetze zu Ungunsten der investierenden Unternehmen verändert haben. Sieling machte insoweit den Vorschlag, ein internationales Handelsgericht statt der Schiedsgerichte in den Abkommen vorzusehen.
Klagen wie die von Vattenfall auf € 4.7 Mrd. gegen die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs könnten so zur Regel werden und die Europäische Gesetzgebung könnte sich als Folge in noch viel stärkerem Maße an Wirtschaftsinteressen orientieren. Solche Klagen würden sich nicht auf die eigentlichen Investitionen beschränken, sondern sollen auch Verluste erwarteter Marktanteile ausgleichen können.
Der Investorenschutz gefährde u.a. Verbraucherschutz, Unternehmens-mitbestimmung und Umweltstandards. Eine Weiterentwicklung dieser Europäischen Regeln wäre erheblich schwieriger, zumal Regulierungsräte an den Gesetzgebungen der Nationalstaaten mitwirken sollen, um so Einfluss zu nehmen.
Carsten Sieling erläuterte welche Kriterien aus Sicht der SPD erfüllt sein müssen, um den Verträgen zustimmen zu können. Dazu gehört, dass klar benannt werden soll, in welchen Bereichen die Abkommen gelten. Auf diese Weise ließen sich negative Auswirkungen z.B. im Gesundheitssektor, der Nahrungsmittelkennzeichnung, der Kultursubventionen, der öffentlichen Ausschreibungen oder des Datenschutzes verhindern.
Sieling fand großen Anklang mit seiner Forderung, dass statt reinen Wirtschaftsinteressen, lieber 'für die Menschen das Beste aus beiden Wirtschaftssystemen' zum Ziel der Verhandlungen gemacht werden solle.
Der nächste Oldenburger Abend findet am Do., den 28.05.2015, statt – dann wieder im Havana. Zu Gast sind Dr. Christos Pantazis (MdL und Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Migration und Teilhabe) und Ilyas Yanc von IBIS. Das Thema lautet: Niedersachsen als Einwanderungsland – Integration, Willkommenskultur, Flüchtlingspolitik.